Sparkassen im Nationalsozialismus

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Cover der Studie „Nationalsozialismus und Sparkassen“. Foto: Aschendorff-Verlag

„Wer spart, hilft Adolf Hitler“ / Studie untersucht die Rolle der Geldinstitute

Wie „nationalsozialistisch“ waren die Vorläuferinstitute der heutigen Sparkasse Münsterland Ost im „Dritten Reich“? Als eine der ersten Sparkassen in Deutschland überhaupt stellt sich das Geldinstitut seiner NS-Vergangenheit. Auf Initiative von Verwaltungsrat und Vorstand forschten Historikerinnen und Historiker des Geschichtsortes Villa ten Hompel Münster und des Westfälischen Wirtschaftsarchivs Dortmund in einer wissenschaftlich unabhängigen Studie zwei Jahre lang zur NS-Verstrickung der Sparkasse.

Die Ergebnisse liegen nun in dem Buch „‘Wer spart, hilft Adolf Hitler‘ – Nationalsozialismus und Sparkassen. Münster und das östliche Münsterland“ vor. Es wird zentralen Fragen zur Gesellschaftsgeschichte nachgegangen: Wie sah der Alltag der Sparkassen in den Jahren von 1933 bis 1945 aus? Wie stark wirkte sich die NS-Ideologie auf die Geschäftspraxis aus? Was waren die Konsequenzen für langjährige Kunden, die nun verfolgt wurden? In welchem Maße finanzierten auch die Sparkassenkunden den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg mit?

Markus Schabel, Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Münsterland Ost, betont die Bedeutung der Studie sowohl für die Sparkasse als auch für die Öffentlichkeit: „Unser Ziel ist es, mit dem Buch die Erinnerung an diese dunkle Zeit der deutschen Geschichte wach zu halten. Auch für die Sparkasse selbst leistet die Untersuchung einen sehr wertvollen Beitrag: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, aus ihr lernen zu können. Dieser Teil unserer Unternehmenshistorie ist damit kein blinder Fleck mehr.“

Unternehmensgeschichte kein blinder Fleck mehr

Titelblatt Münstersche Wochenschau, Januar 1939. Die Stadtsparkasse plante Ende der 1920er Jahre umfassende Modernisierungen. Dazu gehörte auch der Umzug in ein neues Gebäude in der Ludgeristraße im Jahr 1931(links). In das bisher von der Sparkasse genutzte Eckgebäude (oben rechts) an der Ludgeri- und Klemensstraße (heute Kaufhof) zogen städtische Ämter ein. Foto: Stadt Münster – Sammlung Stadtarchiv

„Die Forschungen des Geschichtsortes Villa ten Hompel der Stadt Münster und des Westfälischen Wirtschaftsarchivs zeigen, dass sich NS-Diktatur und -Verfolgung nur verstehen lassen, wenn wir alle gesellschaftlichen Bereiche betrachten. Diese Erkenntnis hat Konsequenzen für unser heutiges Zusammenleben. Unsere Grundrechte sind schutzbedürftig. Ausgrenzung lässt sich nur verhindern, wenn sich möglichst viele aktiv für unsere Vielfalt und unser friedliches Zusammenleben einsetzen“, ist sich Oberbürgermeister Markus Lewe sicher.

Die Studie „Sparkasse im Nationalsozialismus“ steht im Zusammenhang mit der vom Rat der Stadt Münster beschlossenen und mittlerweile erfolgreich abgeschlossenen Aufarbeitung der Rolle der Stadtverwaltung Münster im Nationalsozialismus. Besonders bei der finanziellen Ausplünderung der Jüdinnen und Juden wurde nicht nur die aktive Rolle von Verwaltung, Polizei, Partei und der nachbarschaftlichen Gesellschaft offensichtlich, sondern auch die Rolle der Sparkassen und der übrigen Finanzinstitute.

Auch für Dr. Olaf Gericke, Landrat des Kreises Warendorf und stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse Münsterland Ost, ist die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit aktueller denn je: „Wenn damals Nachbarn oder Geschäftspartner enteignet, eingesperrt und schließlich deportiert und ermordet wurden, dann muss das auch für uns heute noch ein mahnendes Beispiel sein.“

Beschäftigung mit Vergangenheit – Haltung in der Gegenwart

Aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit können Haltungen für die Gegenwart entwickelt werden, um Populismus, Ausgrenzung, Fremdenhass und Antisemitismus entgegenzuwirken, betonen Christoph Spieker und Karl-Peter Ellerbrock als Leiter der Villa ten Hompel und des Westfälischen Wirtschaftsarchivs.

„Ohne die Geschäftspolitik auch der Sparkassen wäre der Vernichtungsfeldzug Nazi-Deutschlands gegen Europa so nicht finanzierbar und in seiner Radikalität umsetzbar gewesen. Spareinlagen wurden verdeckt als wichtige Basis der Kriegsfinanzierung genutzt“,  unterstreicht Thomas Köhler, Historiker an der Villa ten Hompel und Mitherausgeber der Studie, wie weit die Folgen der Geschäftspolitik der Sparkassen reichten.

„Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 wird das Thema Antisemitismusprävention eine wichtige Rolle spielen“, macht Oberbürgermeister Lewe auf den Einsatz gegen Ausgrenzung und Antisemitismus aufmerksam. „Der Geschichtsort Villa ten Hompel ist in das vom Auswärtigen Amt initiierte ‚European Network Combatting Antisemitism through Education‘ integriert und aktiv tätig, so dass auch von der ‚Villa‘ wichtige und nachhaltige Impulse im Rahmen von Projekten ausgehen könnten.“

Buch wird in Villa ten Hompel vorgestellt

Sie stellten die Studie zu Sparkassen im Nationalsozialismus vor (v.l.): Dr. Annegret Saxe (Sparkasse Münsterland Ost), Thomas Köhler (Villa ten Hompel), Vorstandsvorsitzender Sparkasse Münsterland Ost Markus Schabel, Oberbürgermeister Markus Lewe, Landrat Dr. Olaf Gericke, Dr. Karl-Peter Ellerbrock (Westfälisches Wirtschaftsarchiv), Dr. Christoph Spieker (Villa ten Hompel) Foto: Presseamt Münster

Das Buch „Wer spart, hilft Adolf Hitler“ – so lautete der Titel einer Werbeanzeige der Sparkasse aus dem Jahr 1933 – ist ab dem 22. November im Buchhandel erhältlich und kostet 19,80 Euro (Aschendorff-Verlag). Am Donnerstag, 5. Dezember, stellen die Herausgeber sowie die Autoren des Bandes – Philipp Erdmann, Annika Hartmann und Kathrin Baas – zentrale Ergebnisse der Studie im Geschichtsort Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm-Ring 28, vor. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Das Buch kann dort ebenfalls erworben werden.

Quelle: Stadt Münster

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