Corona: Flatten the Curve – Lockdown und die Kurve kriegen

Zum zweiten Mal geht Deutschland in einen kompletten Lockdown. Dieser Beschluss ist auch ein Eingeständnis des Scheiterns der bisherigen Strategie. Jetzt geht es auch darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

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Diesmal ist vieles anders. Nicht nur, dass die Bund-Länder-Gespräche an einem Sonntagvormittag stattfanden. Es ging auch sehr schnell. Keine stundenlangen zähen Verhandlungen, kein öffentlich ausgetragener Ärger über vorab kursierende Beschlussvorlagen, kein Bund-Länder-Kompetenzgerangel, ja selbst die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zogen weitgehend an einem Strang.

Unterschiedlicher Ansicht war man nur in der Frage, ob der Lockdown am Montag, am Mittwoch oder doch erst nach Weihnachten beginnen soll. So viel Schulterschluss war zuletzt im Pandemie-Frühjahr, als Deutschland erstmals das öffentliche Leben herunterfuhr. Die Lage ist ernst.

Vertane Zeit im Sorglos-Sommer

Zwischen erstem und zweitem Lockdown liegt ein weitgehend sorgloser Sommer, in dem rückblickend betrachtet viel Zeit vertan wurde. Die zweite Welle schien weit weg und entfaltete kaum Drohpotenzial. Jetzt ist sie da, mit voller Wucht – und der „Lockdown light“ erweist sich als unzureichendes Bollwerk.

Hunderte Tote täglich – oder wie es Markus Söder ausdrückte: „Bergamo ist näher, als der ein oder andere glaubt.“ Bergamo, das ist die italienische Stadt, die seit dem Frühjahr auch ein Synonym für die Tödlichkeit des Virus ist. Und Söder – Regierungschef des Hotspots Bayern – diagnostizierte für Deutschland: „Corona ist außer Kontrolle geraten.“ Deswegen gebe es jetzt keine halben Sachen mehr.

Insofern ist der Lockdown-Beschluss auch ein Eingeständnis des Scheiterns – und wenn Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller heute das Vorgehen der vergangenen Monate als „immer sehr schnell und entschlossen“ rechtfertigt, dann dürfte das für viele Ohren nicht ehrlich klingen. Waren es doch die Länder in ihrer Mehrzahl, die weitreichendere Maßnahmen, wie sie Angela Merkel und das Kanzleramt um Helge Braun schon früh für nötig hielten, immer wieder gebremst oder zerredet haben. Die Corona-Zahlen zwingen sie nun zu einem Kurswechsel. Ihr „Corona-Winterfahrplan“ hat nicht funktioniert. „Es hat nicht gereicht“, brachte es Söder heute auf den Punkt. Ein ehrlicher Satz.

Nun ist es richtig und nachvollziehbar, dass man die Einschränkung der Freiheitsrechte der Menschen so gering wie möglich halten will, dass man erst mal versuchen will, Schulen und Geschäfte so lange wie möglich offen zu halten. Man hoffte, dass über die „Light-Lösung“ und Appelle, die Kontakte zurückgingen und sich das Virus nicht weiter ausbreitet. Dies gelang ja auch kurz, das exponentielle Wachstum wurde zunächst gebremst. Mehr aber auch nicht.

Das Klein-Klein kostete Akzeptanz

Statt aber wirkungsvoll gegenzusteuern, versprach man Ende November Lockerungen zu Weihnachten und zu Silvester, verhakte sich in Quadratmeterzahlen im Einzelhandel und pochte auf regionale Sonderwege. Im Nachhinein erwies sich das als falsch, wertvolle Zeit wurde vertan. Nun ist man hinterher immer klüger, und in der Pandemie gibt es nicht den einen richtigen Weg.

Doch das Hin und Her, das Corona-Klein-Klein, die uneinheitlichen Regeln, das Weihnachtsversprechen und dessen teilweise Rücknahme – all das hat viel Akzeptanz und Vertrauen bei der zunehmend Pandemie-müden Bevölkerung gekostet. Hier hat zumindest die Krisenkommunikation der Politik versagt.

Nicht Ruhe, sondern Stillstand

Deutschland muss jetzt die Kurve kriegen. Das Robert Koch-Institut meldete am Morgen 20.200 Covid-19-Neuinfektionen binnen 24 Stunden – ein neuer Sonntags-Rekordwert. 321 Menschen starben seit gestern, darunter vermutlich viele Bewohner von Altenheimen. Künftig soll es nun mehrmals pro Woche verpflichtende Corona-Tests für Mitarbeiter geben – zumindest sollen die Länder dies prüfen. Auch medizinische Schutzmasken werden in Aussicht gestellt. Warum erst jetzt? Und: War das nicht schon angekündigt?

Und was ist mit den Schulen? Auf digitalen Unterricht sind viele Schulen weiterhin nur unzureichend vorbereitet, es hakt an technischer Ausstattung und vielerorts auch an Wissen. Alles Dinge, die man im Sommer hätte erledigen können. Vage sind auch die Beschlüsse für eine Notbetreuung und Extra-Urlaub für Eltern.

Zum zweiten Mal geht das Land in einen harten Lockdown. Nicht nur Ruhe, sondern Stillstand, verordnete NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. In der Hoffnung, dass diese Maßnahmen jetzt die richtigen sind und ausreichen. So, wie es im Frühjahr schon einmal gereicht hat.

 

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