Grusel, karge Fülle und Sprachmagie

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Foto: Symbolbild

Abendlesung beim Lyrikertreffen mit Jo Shapcott, Thilo Krause und Anneke Brassinga / Abschlussfolge

Seit 40 Jahren reisen Lyriker und Lyrikerinnen aus dem In- und Ausland zum Internationalen Lyrikertreffen an, das vom Kulturamt der Stadt Münster und vom Literaturverein Münster veranstaltet und von der Kunststiftung NRW gefördert wird. In ihrem Gepäck: Strophen und Verse. In diesem Jahr gehören auch Instrumente dazu. Warum dem so ist und worauf man sich freuen darf, verraten wir in dieser fünfteiligen Serie.

Eine britische Professorin, ein Wirtschaftsingenieur aus Zürich,  eine niederländische Übersetzerin, die sich anfangs nicht für Gedichte begeistern konnte: Die Werdegänge der drei Poeten, die am Freitag (24. Mai) die Abendlesung im Theater Münster gestalten, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Wem Pissblumen und Alraunen-Pastete bislang fremd sind, hat noch keine Bekanntschaft mit den Versen der britischen Lyrikerin Jo Shapcott gemacht. Die 66-jährige Professorin für Kreatives Schreiben ist mit zahlreichen Awards ausgezeichnet worden. Gruselig ist das, was man im Gedicht „Alraunen-Pastete“ zu lesen bekommt. Ein Rezept des Horrors: Man nehme die Alraune, eine mystische Zauberwurzel, der sagenhafte Dinge nachgesagt werden, dazu Milch und Wasser, koche und backe alles auf und fertig ist die Pastete – aus der Schreie von Mördern und Kindern entweichen.

Die Dinge im Licht

Ein weiterer Gast, den die Moderatoren des Abends, Hans Jürgen Balmes und Hermann Wallmann, vorstellen werden, ist Thilo Krause. Der 42-Jährige ist Wirtschaftsingenieur und Forscher und arbeitet in einem Züricher Elektrizitätswerk. Nach seiner Promotion und neben wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht er seit 2005 literarische Arbeiten. „Bei Thilo Krause stehen die Dinge im Licht: Transparenz, Klarheit, karge Fülle sind Kennzeichen seiner Lyrik“, so die Begründung der Jury, als Krause in diesem Jahr den Peter-Huchel-Preis erhielt. In dem Gedicht „Hinterland“ heißt es: „Aber die Worte, die ich liebe, lassen sich sagen mit der Stimme des Bettlers, mit der Stimme von einem, der über kahler Erde die Hand aufhält und wartet.“

Anneke Brassinga wird als dritte Poetin des Abends lesen. Dabei verband die heute 70-Jährige mit der lyrischen Gattung lange Zeit nichts Gutes: Effekthascherei, Fratzereien, Gefühlsduselei und billige Weisheiten. Dass sie heute vom Gegenteil überzeugt ist und sie für ihr dichterisches Werk sogar den „P.C. Hooft-Prijs“ erhielt  –  den wichtigsten Literaturpreis der Niederlande – hat sie ihrem Beruf als Übersetzerin zu verdanken. „Wäre ich nicht Übersetzerin geworden, hätte ich wohl nie angefangen zu schreiben. Hätte ich nicht angefangen, Gedichte zu übersetzen, hätte ich nie eins geschrieben“, so sagt sie es in der Zeitschrift „Schreibheft“. Als ihr erster Gedichtband „Aurora“ 1987 erschien, war sie 32 Jahr alt. In den folgenden Jahrzehnten hat sie fünf Romane und über zehn Gedichtbände veröffentlicht.

Der Literaturkritiker Rob Schouten nennt sie eine „Sprachmagierin“.  Mystisch, ernst bis ironisch setzt sich Brassinga unter anderem in „Fata Morgana, dürste nach uns!“ (2016) mit dem Paradox auseinander, dass der Mensch nur ein bisschen Materie ist – und es dank seiner Fantasie dennoch vermag, einen Gott und eine Seele sein Eigen zu nennen.

Termine: Lesung mit Anneke Brassinga, Thilo Krause, Jo Shapcott, Freitag, 24. Mai, 19 Uhr, Theater Münster (Kleines Haus), Neubrückenstraße

Info: www.lyrikertreffen-muenster.de, Karten an der Theaterkasse, (02 51) 59 09-100

Quelle: Stadt Münster

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